Nebeneffekt des Lockdowns Wegen Corona sparen die Deutschen noch mehr

In der Pandemie sparen die Deutschen lieber als zu konsumieren. Quelle: Getty Images

Die in Deutschland ohnehin hohe Sparquote hat im Lockdown Rekordwerte erreicht. Eine schnelle Änderung erwartet die Bundesregierung nicht. Das sind die Gründe. 

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Läden und Restaurants bleiben vorerst geschlossen, um mögliche Infektionsrisiken in der Coronapandemie zu minimieren. Was für viele Gewerbetreibende eine Katastrophe ist, scheint privaten Haushalten insgesamt mehr Vermögen zu bescheren. So haben sie von Januar bis September 2020 so viel Geld zurückgelegt wie nie zuvor in den vergangenen Jahren. Die Sparquote betrug 16,6 Prozent des verfügbaren Einkommens, im zweiten Quartal 2020 sprang sie über 20 Prozent. 

Die Quote sei „im Zuge der Coronakrise merklich gestiegen“, heißt es in einer noch unveröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine FDP-Anfrage. Grund seien „die verringerten Konsummöglichkeiten während des Lockdowns“. Das passt zu den Daten zum zweiten Quartal, mit der besonders hohen Sparquote: Die privaten Konsumausgaben waren in diesem Zeitraum – in den der erste Corona-Lockdown fällt – um fast zwölf Prozent eingebrochen.

FDP-Finanzexperte und Obmann im Bundestagsfinanzausschuss Markus Herbrand erkennt in der hohen Sparneigung aber auch „den enormen Vorsorgewunsch der Deutschen, die sich gerade in der Krise um ihre finanzielle Zukunft Sorgen machen“. Laut Bundesregierung könnte es solch eine „Vorsichtsersparnis“ wegen der „Unsicherheiten bezüglich des weiteren Verlaufs der Pandemie“ geben. Sie erwarte nur eine schrittweise Normalisierung der Sparquoten.



Zumal die Deutschen traditionell besonders viel sparen. So lag die Sparquote seit 2008 um fast 50 Prozent über dem Schnitt der Europäischen Union. Innerhalb Deutschlands gibt es beim Sparverhalten dabei aber deutliche Unterschiede: So legten private Haushalte 2018 in den neuen Bundesländern im Schnitt nur rund sieben Prozent des verfügbaren Einkommens zurück, während es in den alten Bundesländern elf Prozent waren, listet die Bundesregierung auf. Selbst im Anlageverhalten unterscheiden sich Ost und West deutlich.

Nicht nur die Sparleistung, auch die Vermögen der privaten Haushalte sind in den vergangenen Jahren auf breiter Basis gestiegen, stellt die Bundesregierung in ihrer Antwort der FDP-Anfrage fest. Haupttreiber seien die gestiegenen Einkommen gewesen. 

Niedrigzinsen als Herausforderung

Sparer sehen sich allerdings mit Herausforderungen konfrontiert, so sind die Zinsen sicherer Geldanlagen seit Jahren rückläufig. In einer Umfrage der Bundesbank von 2016 hätte aber gut die Hälfte der Haushalte angegeben, ihr Sparverhalten deshalb nicht anzupassen, so die Bundesregierung. Allerdings sei der Anteil im Vergleich zu 2014 gesunken. Damals hatten noch drei von vier Haushalten gesagt, sie würden unabhängig vom Zinsniveau sparen. Einige stellen sich also doch um. Dabei könnte es allerdings gegenläufige Effekte geben: Einerseits könnten die extrem niedrigen Zinsen Sparer abschrecken. Andererseits könnten sie sogar noch mehr zurücklegen, weil die nötigen Sparraten steigen, um bei niedrigem Zins die gleiche Vorsorge sicherzustellen.

FDP-Politiker Herbrand sieht die Menschen „verunsichert, weil angesichts der andauernden Nullzinspolitik sichere und sich gleichzeitig lohnende Vorsorgemöglichkeiten kaum mehr zu finden sind“. Er hält eine stärkere steuerliche Förderung von Sparern für nötig. So sei der Sparerfreibetrag, der 801 Euro an Kapitalerträgen im Jahr steuerfrei stellt, seit 2008 nicht mehr angepasst worden. Und Anleger, die mit Aktien sparen, müssen seit 2009 unabhängig von der Haltedauer Abgeltungsteuer auf Dividenden und Kursgewinne zahlen. Herbrand und die FDP fordern steuerfreie Gewinne nach fünf Jahren Haltedauer. Bislang würden vom Staat „weitgehend unrentable, ineffiziente und veraltete Instrumente gefördert, die zu wenig zum Vermögensaufbau beitragen und drohender Altersarmut kaum etwas entgegensetzten“. 

Wie Sparer steuerlich gefördert werden

In der FDP-Anfrage zum „Steuerbegünstigten Sparen im Zeichen der Corona-Pandemie“ wurde die Regierung mit Fragen zu den verschiedenen Instrumenten konfrontiert. Grundsätzlich hält die Bundesregierung eine steuerbegünstigte Sparförderung demnach für sinnvoll. Diese stärke nicht nur das Vorsorgebewusstsein, sondern ermögliche auch „eine bessere Identifikation mit unserem Wirtschaftssystem“, heißt es dort. 

Gefördert werden Sparer etwa über vermögenswirksame Leistungen (VL): Bei dieser Sparform erhalten Angestellte oft vom Arbeitgeber einen Zuschuss, bis zu 40 Euro im Monat. Außerdem gewährt der Staat innerhalb bestimmter Einkommensgrenzen eine Arbeitnehmersparzulage. Die staatliche Zulage für Fondssparpläne beträgt zum Beispiel maximal 80 Euro jährlich und wird bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 20.000 Euro gewährt (bei Verheirateten in Summe doppelt so viel). Am häufigsten genutzt werden vermögenswirksame Leistungen für Bausparverträge.

Wie viele Personen insgesamt Anspruch auf VL haben, ist der Bundesregierung laut Stellungnahme nicht bekannt. Die Nutzung der Verträge ist jedenfalls überschaubar. 2019 wurden in Summe nur gut 73 Millionen Euro an Arbeitnehmersparzulagen gezahlt. Für FDP-Politiker Herbrand zeigen die schlechten Nutzerzahlen, dass das wenig effiziente Instrument an veränderte Umstände angepasst werden müsste. Der Gesetzgeber würde die Bürger bislang im Stich lassen. „Die gesamte staatliche Sparförderung gehört daher grundsätzlich reformiert“, sagt Herbrand. 

Doch die Bundesregierung sieht das offenbar anders. Sie verweist auf Verbesserungen bei den Steuerregeln für Mitarbeiterbeteiligungen und bei der Wohnungsbauprämie. Eine Modernisierung der Arbeitnehmersparzulage hingegen sei zum Beispiel nicht geplant.

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Dabei werden die mit dieser Zulage geförderten VL-Verträge selbst innerhalb der öffentlichen Verwaltung längst nicht von allen Anspruchsberechtigten genutzt, zeigt die Antwort der Bundesregierung. Sie nennt auch Zahlen für einzelne Ministerien und Ämter. Im Bundesfinanzministerium etwa haben von 592 tariflich beschäftigten Angestellten 590 grundsätzlich Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen. Tatsächlich nutzen aber nur 190 das Instrument (32 Prozent). 162 davon haben einen Bausparvertrag abgeschlossen. Unter den 1639 beschäftigten Beamten nutzen immerhin 686 die VL, gut 40 Prozent. Bei der Finanzaufsicht BaFin liegt ebenfalls bei gut 40 Prozent der Berechtigten ein Nachweis zu einem VL-Vertrag vor – zu rund 87 Prozent handelt es sich um einen Bausparvertrag. Nur 0,2 Prozent der VL-Nutzer bei der BaFin setzen hingegen auf einen geförderten Aktiensparplan, der deutlich höhere Renditechancen bietet. 

Unter den BaFin-Mitarbeitern, die im vergangenen Jahr mit Meldungen zu Wirecard-Aktiengeschäften für Aufsehen sorgten, scheint die Risikofreude womöglich doch geringer zu sein als gedacht.

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